Die Musik bringt die Geschichte optimal zur Geltung


Interview von Brigitte Hächler


Michel Truniger ist der musikalische Leiter des Musicals TITANIC das im Januar 2022 im Theater Uri auf die Bühne kommt. Einmal mehr gilt es während der Aufführung das Geschehen auf der Bühne und im Orchestergraben in Einklang zu bringen.

Michel Truniger, was dachten Sie, als Rolf Sommer Ihnen TITANIC vorschlug?
Das gesamte künstlerische Team war bei diesem Entscheidungsprozess dabei. Mehrere Stücke standen zur Auswahl und es gab unterschiedliche Kriterien zu berücksichtigen. Seitens Musik galt es beispielsweise zu prüfen, ob ein Stück vom musikalischen Schwierigkeitsgrad her für das Ensemble und eine bestimmte Orchestergrösse machbar ist. Für TITANIC gab es zwei Arrangements. Eines für ein Streichquartett und eines für ein grosses Orchester. Beides war für uns nicht sinnvoll. So haben wir uns für ein einen Mittelweg mit einem Arrangement für ein Orchester von 19 Personen entschieden. Unser Arrangeur Dominique Huber hat das grosse Orchester-Arrangement auf unsere Bedürfnisse angepasst und das Ganze so reduziert, dass es stimmig ist.

Wie bringen Sie sich in die Inszenierung ein?
Ich verstehe meine Arbeit so, dass ich ein Vetorecht habe, wenn etwas musikalisch einfach nicht geht. Die Verantwortung, das Stück auf die Bühne zu bringen, liegt ganz klar bei unserem Regisseur Rolf Sommer. Ich versuche die musikalische Untermalung so gut wie es geht zu organisieren. Wir haben einen sehr ähnlichen Geschmack. Ich glaube die Zusammenarbeit würde nicht so gut funktionieren, wenn dem nicht so wäre.

Wie unterscheidet sich TITANIC zu PIPPIN oder BIG FISH?
TITANIC ist vom Stil her komplett anders. Es ist kein Rockmusical, sondern ein klassisches Musiktheater. Es gibt von der Solonummer bis zur Chornummer alles. Zudem zeichnet sich das Musical durch diesen üppigen Orchestersound aus, der aber auch mal kammermusikalisch sein kann.

Was macht die Musik von TITANIC aus?
Ich finde, es ist eine sehr schöne Musik, welche die doch sehr dramatische Geschichte optimal abholt und mitgestaltet. Im Musical lernt man diese vielen Einzelfiguren und ihre Schicksale kennen. Das findet sich auch in der Musik wieder. Jede Figur hat ihren Song, ihr Motiv, das dann unterschiedlich verarbeitet immer wieder vorkommt. 

Welche Stellen im Musical berühren Sie am meisten?
Ich finde einfach das Gesamtwerk schön. Es gibt nicht den grossen Song, wie ihn der Film beispielsweise prägt. Mir gefallen etwa die Songs des Heizers Barrett oder der America-Song der Dritten Klasse. Insbesondere fantastisch und gleichzeitig herausfordernd für mich, finde ich jedoch den Prolog, der etwa sechzehn Minuten dauert und in dem das Publikum einfach schon mal die ganze Palette von Solonummern, Duetten, Terzetten bis zum Chor präsentiert bekommt.

Welche Auswirkungen hat die Mundartfassung auf das Musikalische?
Ich finde es eine sehr gute Sache, dass wir unsere eigene Titanic-Version auf die Bühne bringen dürfen. Bei den bisherigen Musicals war es uns aus vertraglichen Gründen erlaubt, die gesprochenen Dialoge zu übersetzen, jedoch nicht die Lieder. Die Songtexte zu übersetzen, war eine Herausforderung. Im Arrangement gab es diverse rhythmische Einschränkungen und zudem Verse, die nicht mit dem Rhythmus übereinstimmten. Das hat uns lange beschäftigt.

Gehen Sie bei einem Musical gleich vor, wie bei anderen Konzerten?
Die Herangehensweise unterscheidet sich eigentlich nicht davon, ob ich eine Beethoven-Symphonie oder ein Musical dirigiere. Es sind Noten, die man lernt, analysiert, die man in der Struktur anschaut und die man schliesslich mit den Darstellern einübt. Immens wichtig ist für mich bei der Probenarbeit unsere Korrepetitorin Rebekka Mattli. Sie ist eine wunderbare und sehr verlässliche Pianistin, die mich fast blind versteht und einfach perfekt spürt, was es musikalisch gerade braucht.

Was ist bei einem semiprofessionellen Orchester anders?
Mit dem Ensemble erarbeiten wir die Songs gemeinsam und es gibt zur Unterstützung Audiofiles, die man sich anhören kann. Das war beim Orchester anders, sie erhielten die Noten und mussten bei der ersten gemeinsamen Probe Anfang Dezember ihren Part beherrschen. Sodass wir an diesem einen Abend die Klangästhetik erarbeiten und das Musikalische so organisieren konnten, um parat zu sein, wenn Ende Dezember Ensemble und Orchester das erste Mal aufeinandertreffen. Es spielen sehr gute Urner Laienmusikerinnen und -musiker mit. Es ist schön, dass wir gerade ihnen eine nicht alltägliche Möglichkeit bieten können, bei so einem Theaterprojekt mitzuwirken und Erfahrungen zu sammeln.

Was aber den musikalischen Leiter auch herausfordert.
Mein Job ist es, dass Musik, gesprochener Text und Gesang zusammenzuhalten. Wir spielen eigentlich das ganze Stück hindurch. Die gesprochenen Dialoge untermalen wir mit sich immer wiederholenden Musikstücken, sogenannten Vamps. Solange, bis auf ein bestimmtes Stichwort hin dann ein Lied einsetzt. Das Tempo zu halten und auf die, hoffentlich richtig kommenden, Stichworte hin die richtigen Einsätze zu geben, wird mich sehr beschäftigen. Ich bin aber sehr zuversichtlich, dass wir das schaffen. Ist es doch so viel spannender, als eine Viertelstunde warten zu müssen, bis man im Orchestergraben wieder etwas zu tun hat.

Perspektivenwechsel. Sie leiten auch das Theater Uri. Wie wichtig ist es, dass solche Projekte stattfinden?
Für uns ist das enorm wichtig. Das Konzept von Eigägwächs finde ich super. Es ist ein Bereich in dem ich sehr gerne tätig bin. Man arbeitet in einem professionellen Umfeld mit leidenschaftlichen Musiktheaterleuten zusammen und kreiert eine eigene Version von etwas, das dann wiederum die Urner Bevölkerung in diesem Haus zusammenbringt. Das Theater Uri soll ein Haus für alle sein und ein Ort, an dem wir anspruchsvollen Produktionen wie TITANIC eine professionelle Bühne bieten können.